Wer Nähe sucht, ist noch nicht verloren. Man muss nicht klein sein, um das Gelb einzufordern. Um die Gefräßigkeit des Schwarz mit Licht zu fluten. Der Flur kann eine Kobra sein. Tagsüber lässt sie sich mit einem geraden Blick fortschicken in die Ecken zu den Wollmäusen. Aber nachts? Auch Schlangen kennen die Wucht der vierten Stunde. Die Minutenpakete der Transitzeit. Sie entziehen sich einer geordneten Zustellung, explodieren, nein implodieren mit einem leisen Gelächter. Vermählt mit dem inneren Winter zausen die dunkelbunten Schatten des frühen Morgens – oder ist es doch noch Nacht? – besonders all jene, die noch wachsen müssen. Bewacht werden sie von sehr zarten Stofftieren, die sie tagsüber verstecken und abends hervorholen, weil die Decke immer zu kurz ist. Immer ist man irgendwo nackt. Ohne Schutz. Auch wenn die Sterne in winzigem Grün die Wände punktieren, willige Gesandte des Kosmos in irdischen Nuancen. Auf der Innenseite der Lider blinken sie fort, weit in den Traum hinein und verwandeln sich dort in Akkorde, die allesamt klingen wie das ausnahmsweise leise Lachen einer Stockente. Und mit dem ersten Licht tut sie so als ob sie von nichts wüsste. Wäre da nicht das noch schlafende Gesicht der Mutter, der mit den freundlichen Geistern Verbündeten, er hätte gedacht, er habe geträumt.

Der längste Winter, für dessen Schwarzweiß beide noch nach einem Begriff suchen, ist längst vorüber. An den besseren Tagen trug er wenigstens Streifen, bewegliche Geländer ohne jegliches Gewicht. Ein Wutwinter war es, ein Winter der Hilflosigkeit. Doch wie in der Natur kann auch in Menschen etwas wachsen unter der kalten Decke, die nie zu kurz ist. Den Wall aus Kristall haben sie eingerissen mit neuen, ungeahnten Kräften und die Elefantenmäntel abgelegt. Die Mäntel schweigen zu diesem Vorgehen. Sie sind geduldig und kennen ihren Tanzbereich. Falls sie nicht mehr benötigt werden, kann man sie zu Teppichen verarbeiten und mit diesen die Risse zudecken, die sich in den Dielen gebildet haben. Risse durch Worte, ausgesprochene und verschluckte, Risse durch Blicke und Gesten. Unter den Mänteln kann das Holz heilen. Narben werden bleiben und erzählen vom Leben, das stets eigene Pläne hat und anders als der Mensch auch verwirklicht. Es führt keine Listen, das Leben, und die Mutter auch nur noch, weil sie so gerne Wörter auf Papier schreibt.

Zwischen seinen Wörtern entstanden für eine kurze Zeit große Lücken. Schluchten. Da sah sie ihn wieder fallen, einen Moment lang, der sich aufblähte zu einer Dekade. Bis sie den Schalk sah in seinem Versteck hinter den Pupillen. Ein blauer Winzling, verschwistert mit dem Gelb, welches er nicht mehr hergibt, niemals, es ist eine Waffe. Eine Waffe, die niemandem weh tut, eine, die das Wort Krieg nicht kennt, in keiner Sprache. Ein Schwert für die vierte Stunde. Das er nur noch selten braucht, seit der Schlaf wieder ein Freund ist. Wie jeder gute Gefährte ist er zurückgekehrt von seiner Reise und hat Eisbonbons mitgebracht. Proviant für den Transit, dessen Ränder so unverschämt glitzern, dass man sie kaum erkennt.

Barbara Weitzel