Sie sieht schön aus. Und das weiß sie. Die Kleider und Röcke trug sie damals kurz, die Stiefel bis zum Knie. Als junges Mädchen sprach sie jemand am Strand von Rimini an, ob sie sich vorstellen könne, als Model zu arbeiten. Aus der Model-Karriere wurde dann nichts, weil sie in sämtliche Kleider nicht reinpasste. So zumindest erzählt sie uns das heute.

Sie mag Mode. Als Kinder staksten wir in ihren silber-metallic Pumps durch die Wohnung. Die trug sie zu ihrer Hochzeit. Zusammen mit einem lila Kleid mit Puffärmeln, das die Hüfte betonte, und einem ausladenden Hut. Wir liebten diese Schuhe. Ich träumte davon, endlich erwachsen zu sein und nach Lust und Laune Klacker-Schuhe tragen zu können. Noch ahnungslos, was stundenlanges Herumlaufen auf High Heels tatsächlich bedeuten kann.

Als wir älter waren und auf Partys gingen, fanden wir in ihren Schränken ihre abgelegten, selbstgenähten Kleider, Röcke und Hosen. In denen zogen wir los. Der Inhalt ihres Kleiderschranks machte uns unikat. In jeder Phase unseres heranwachsenden Daseins. Sie fand das toll. Eine Zeitlang hätte ich gerne einen Busen wie sie gehabt. Heute bin ich froh, dass es anders gekommen ist.

Sie erzählt uns davon, wie man Kinder bekommt, aber nicht, wie man keine bekommt. Sie findet, Frauen sollten eine eigene Meinung haben, selbstbewusst und stark sein. Und sich einen Versorger zum Ehemann nehmen. Wenn man sie nach den Achtundsechzigern und Woodstock fragt, sagt sie, dass sie da nicht mitgemacht habe. Das sei ihr alles zu extrem gewesen. Sie bleibt lieber im Hintergrund. Wie man im Vordergrund steht, das weiß sie auch. Aber da fühlt sie sich nicht wohl.
Sie schminkt sich beim Autofahren im Rückspiegel. Wenn sie den Wagen an der Ampel stoppt. Mit Mascara und Rouge. Der Lippenstift kommt nur bei besonderen Anlässen zum Einsatz. Wenn ein Lied im Radio läuft, das ihr gefällt, singt sie extra laut, entschieden und ohne Text mit. Sie ist einzigartig.

Beim Essen hat sie immer ein Bein über das andere geschlagen. Strümpfe trägt sie nicht. Wenn überhaupt, dann Nylon-Söckchen. Auch in Skischuhen. Sie isst gerne Eis. Meistens drei Bällchen im Hörnchen. Sie kann an keiner Eisdiele vorbeigehen.

Ihr Lachen ist ein nettes Lächeln. Sie lacht gerne. Lieber lachen als Stille ertragen. Wenn ihr etwas zu nah geht, lacht sie laut auf. Bei Abschieden weint sie.

Sie ist ausdauernd. Bücher liest sie in einem Rutsch, angefangene Dinge werden zügig fertig, Probleme gibt es nicht, nur Lösungen. Sie wollte schon immer zum Titicaca-See reisen. Da war sie dann auch. Sie hat ein großes Herz. Wenn es berührt wird.

Zum Schlafen lässt sie den Wollpullover an. Über dem Schlafanzug. Das findet sie gemütlich. Mit ihrem Haarschnitt ist sie immer unzufrieden. Sie hätte gerne Naturlocken. Früher hatte sie einmal eine Dauerwelle. Das ist heute vorbei, aber die Haarfarbe ist schon immer dieselbe. Hell blondiert. Als ihr Haarfärbemittel vor ein paar Jahren vom Markt genommen wurde, musste sie ein passendes neues finden.

Manchmal frage ich mich, ob sie gerne jemand anderes geworden wäre. Und stelle mir vor, wie sie hätte sein können. Sie selbst redet nicht darüber. Sie lächelt.

Marlin de Haan