eins. ein morgen.
ein neuer tag bricht
an und mit ihm, an
die noch immer wunde
mutter gelegt, zwei
kinder, du und ich, uns
ähnlich und doch nicht

gleich. wir saugen muttermilch,
dann ein erstes fortbewegen auf allen
vieren, dann gemeinsames rennen, dann
taumeln und stolpern und
stürzen. es ist wie das sprechen langer
sätze, die man brechen will mit

semikola. zwei mal zwei meter
misst unsere kinderwelt, die
(wir haben nachgemessen)
erhellt wird vom leben nah dem
wald, der steht aus monokulturkiefer
und im moos doch trösten kann.

zwei. ein mittag.

vor tau und tag sind wir
wach, du, die den weg in die
ferne großstadt gesucht, aber nicht
gefunden hat und ich, der dich
so nah, trotzdem fern verlor in
unserem engen leben nah des

dorfrandwaldes. dass du nicht mehr
schlafen kannst, und schläfst du
doch: erwachst aus quälendem
(hirn)gespinnst aus schwarzen
fäden und nicht weißt, ob dir
mittag oder mitternacht

bevorsteht. du flehst um
hilfe im moos und doch weiß ich nicht zu
trösten noch zu retten. noch
reden wir miteinander, zwei
kinder einer mutter, ähnlich und doch nicht
gleich, noch kann ich dich leise hören.

drei. ein früher abend.

du wolltest dir etwas ins dunkle
pfeifen, ins rabenschwarz, das dich immer
häufiger empfing, dir
ging aber keine melodie im kopf
herum, so oder so ähnlich sei das
gefühl, das du habest, wenn du

stolperst und immer häufiger
stürzt. auch der wald gebe dir keinen
halt mehr, ein meer, das der wind
aufraut und darüber den himmel
zuschiebt mit grauem gewölk. Ein
schlafenwollen und nicht können

sei dein leben nun. Von
tun keine rede mehr, ein
geschehen lassen eher, ein herbeisehnen
der nacht, die anbricht, nachdem das
schwarze, vor nässe triefende holz in
der abendsonne verglüht.

vier. eine nacht.

dass man dich gefunden
habe, eine wunde, aufgerissene
narbe, die nie verheilt sei, nie
verheilen konnte, das weiß ich
jetzt, jahre zu spät. wer
errät, zu welcher tageszeit,

gewinnt. dass du schon immer
eine freundin der nacht gewesen
seist, bitte ich die, die mich roh
verurteilen, um vergebung. für mein passives
verhalten, ein bloßes verwalten meiner,
nicht deiner

gefühle. ich liege nun allein im
wald, deinem und meinem, zwei
mal zwei meter kindheit
(wir haben nachgemessen) und
du fehlst nie enden wollend
im moos.

Sven-André Dreyer